7/11/2021 0 Comments Leben mit einem Vulkan
An dem Sonntagmorgen, dem 19.9.2021, war eigentlich so weit alles normal. Touristen sind zu ihren Ausflügen gestartet, Familien an den Strand, Freundesgruppen zum Barbecue, und die Taucher zum tauchen. Sonntag eben. Ich war tauchen, Rebreather lernen in Puerto Naos. Es wurde erzählt, dass oben in Las Manchas die Leute evakuiert werden, die sich nicht selbst bewegen können. Na ja, Vorsicht ist ja bekanntlich gut. Also waren wir wie einige andere tauchen, und als einzige haben wir noch einen zweiten Tauchgang gemacht. Beim Abtauchen war der Strand voll, im Restaurant wurde Essen serviert, nur die viele Polizei war auffällig. Um 15:10 sind wir abgetaucht. Als wir 70 Minuten später zurück waren, hatte sich der Strand und die ganze Insel nachhaltig verändert: Um 15:12 ist der Vulkan ausgebrochen. Das Bild, das sich uns bot, war wie aus einem Weltuntergangsfilm - der Strand war leer, das Restaurant auch, niemand, wirklich niemand war noch zu sehen. Ein Handtuch lag irgendwo, eine Badehose, aber die Schirme waren eingeklappt, die Stühle übereinandergestapelt, Puerto Naos war leer. Nur eine Stunde hat die komplette Evakuierung gedauert, und wir sind als eins der letzten Zivilfahrzeuge aus dem Ort gefahren - nur noch Polizei fuhr noch mal die Straßen ab. In einer unglaublichen Geschwindigkeit waren die ersten 3000 Menschen evakuiert, Touristen aus Puerto Naos auf andere Inseln umgebucht, und eine große Hilfewelle war in Gang gebracht. Sachspenden kamen schneller als sie sortiert werden konnten, die ersten Spendenkonten waren eingerichtet, und die Leute wurden untergebracht. So etwas läuft einfach auf La Palma - was bei jedem Waldbrand geübt wird, und was auch durch Corona getragen hat, das lässt sich auch auf einen Vulkan anwenden. Seitdem ist La Palma die Insel mit dem Vulkan, und es spricht sich langsam rum, wo das überhaupt ist, dieses La Palma. Wir kennen uns hier derweil alle ganz gut mit Vulkanen aus. Dieses Ding, Tajogaite würden die meisten ihn gerne nennen, spuckt und speit überhalb von Las Manchas. Immer wieder öffnen sich neue Schlote, immer wieder sucht die Lava sich neue Wege. Wie eine große Walze schieben sich glühende Felsmassen durch Siedlungen und Orte - Todoque, La Laguna, Tajuya.... Sie schluckt Häuser, Bananenplantagen, Ferienwohnungen, und die Asche legt sich über die ganze Insel. Wer ier lebt, hat inzwischen viel über die verschiedenen Größen der Brocken gelernt, die der Vulkan spuckt: Nicht bur beeindruckende Aschewolken von Feinstaubgröße bis zu grobem Sand, sondern auch das etwas größere Lapilli, die enormen Lavabomben - und manchmal nimmt der Lavastrom meterhohe Brocken mit. Und wir kennen uns jetzt aus mit der Explosivität, mit strombolianischen und hawaiianischen Typen, mit Gasen und Messwerten..... Und wenn man so über die INsel fährt, sieht man plötzlich überall Vulkankrater. Wirklich, überall. Das Aridanetal hat sich derweil in Mordor verwandelt, aber der Norden, Süden und Osten der Insel sind nur ab und an von etwas Asche betroffen. Man spürt die Beben - 3,8, 4,2 oder doch stärker? Jeden Morgen als Wecker, eine Weile lang so regelmäßig, dass man schon dachte, der Vulkan würde Tageszeiten kennen. Auch das Schlaflied kommt vom Vulkan: Wie ein wütender Drache faucht er, mal lauter, mal leiser - aber immer weit hörbar. Meistens bsi unten in Fuencaliente. Klingt schlimm, aber an all das gewöhnt man sich recht schnell. Lebbe geht weida, muss es ja. Taucht ihr trotzdem? Ja, klar. Hier unten ist das Meer so wie immer - vielleicht sogar mit etwas mehr Fisch, aber das kann auch einfach saisonal sein. Vom Vulkan ist unter Wasser nichts zu spüren, deshalb gehen wir schon fast normal tauchen. Nur fast normal, weil nicht alle Tauchplätze offen sind: Der ganze Westen nördlich von Fuencaliente ist nicht erreichbar, La Bombilla und Puerto Naos sind evakuiert. Wir bleiben also im Süden und Osten. Und weil es manchmal Asche regnet - wenn es viel ist, machen wir auch lieber zu, das macht keinen Spaß. Und manchmal, ganz selten, weil wir keine Luft mehr in den Flaschen haben: Die Luft kann mal so viel Schwefel oder so viel Feinstaub enthalten, dass wir lieber doch nicht mehr füllen. Und dann tauchen wir auch nicht immer, wenn wir keine Gäste haben - und das passiert leider, weil die Flüge nicht zuverlässig gehen und Leute dann nicht so gerne auf eine Insel kommen. Aber meistens läuft es bei uns ganz normal weiter. Wir tauchen, wir bilden aus, wir bilden uns weiter. Und wer die kleinen Unpässlichkeiten bei der Anreise in Kauf nimmt, kann nicht nur fantastisch und sehr individuell betreut tauchen, sondern auch noch den neuesten aktiven Vulkan besuchen gehen. Und später dann an dem Tauchplatz tauchen, der gerade neu entstanden ist: Die neue Fajana wird ganz sicher ein fantastischer Spot, jetzt schon hat die Lava Tiefen von über 40m erreicht. Was La Palma durch die unterschiedlich schweren Schäden hindurch eint: Wir fegen die Asche weg. Das Asche fegen ist zu einem Synonym dessen geworden, was so alles zu erledigen ist auf der Insel: Weiterarbeiten, wer kann. Schäden beseitigen, wer kann. Neu aufbauen, wer kann. Aber alle, wirklich alle, fegen Asche. Kein Ort auf der Insel ist davon verschont geblieben, und wir alle packen an, damit mit Covid und nach dem Vulkan La Palma so liebenswert bleibt, wie es immer war. Kann man etwas tun?
0 Comments
|
AutorinArchiv
Noviembre 2021
Kategorien |